Geschichten aus dem Leben

Vater

Ich gehe mit jedem ins Gericht. Bedenken kenne ich keine. Aber über meinen Vater zu richten, wage ich nicht. Nicht aus dem Grunde, dass ich der Ansicht bin, über die eigenen Eltern darf man nicht richten, nein keineswegs. Auch sie sind nur Menschen, mit Schwächen und Verfehlungen. Aber über meinen Vater zu richten, einem Vater, der mir alle Freiheiten gab und mich meinen eigenen Weg pflastern liess, möchte ich nicht richten. Solche Väter waren und sind selten. So richte ich über alle und jeden, aber nicht über meinen Vater, meinen Papa. Nein. Er verdient bei allem die gleiche Freiheit, wie ich sie erhielt von ihm..

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Der etwas andere Kommunist

... Der etwas andere Kommunist, der er war, hatte es nicht so mit der Zuverlässigkeit. Klar war er immer da, wenn man ihn brauchte. Ich meine ja auch nur eine bestimmte Form der Zuverlässigkeit, welche nicht die seine war. Ich erinnere mich zum Beispiel noch gut an den Tag, als er Brot, Mehl und Öl einkaufen sollte. Für die ganze Familie. Na ja, das ganze endete 18 Stunden später, mit einer Kiste Bier und Trockenfleisch im Anhänger seines Fahrrades. Und er, unser etwas anderer Kommunist, ein bisschen angeheitert; okay, ziemlich voll war er. Wobei man ihm hoch anrechnen muss, das Rückgeld brachte er wieder mit. Es waren ja auch harte Zeiten angekommen. Selbst das Selbstgebrannte war nicht mehr so günstig herzustellen, wie es auch schon mal war.
Versteht ihr welche Art Zuverlässigkeit ich meine? Klar tut Ihr das, zumindest die Männer wissen sehr wohl wovon ich gerade erzähle. Bei den Frauen, mal sicher diejenigen mit dem Verständnis für die Männerwelt. Ja und er, der etwas andere Kommunist, der er war, genoss das Leben, so wie es im dargeboten wurde. Diese Art der Zuverlässigkeit ist nun mal sehr oft, nur ein Hindernis der Freude, beziehungsweise es verhindert die Momente und goldene Stunden in denen das Leben gekostet werden könnte. Denn Unzuverlässigkeit ist menschlich, gleichwohl auch nicht immer etwas schlechtes. Ich hätte es ihm nie verübeln können. Gleich wie die seinen es ihm nie taten. Er war ja auch ihr, als auch mein, etwas anderer Kommunist. ...


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Ich bin, was ich bin


Wo bin stehen geblieben? –Ah ja, ich schweife stehts ab von den wesentlichen Dingen.
Schon in meiner Kindheit hatte ich dieses Problem. Ich rede und rede ohne dabei die entscheidenden Geschichten in Wirklichkeit zu erzählen. Eine Labbertasche bin ich nun mal, oder auch als „Schnorri“ werde ich des Öfteren betitelt. Es hat was, ich bestreite diese Fakten nicht, wie die Faust aufs Auge trifft es zu. Je älter ich werde, desto glücklicher bin ich aber darüber, dass ich die Fähigkeit und die Gabe besitze andere zu unterhalten. Zumindest glaube ich, dass ich dieses Talent im Blut habe. Vielleicht bin ja langweilig und egozentrisch?
Nichts desto trotz möchte ich endlich einmal weiterfahren. Als Spross bosnischer Eltern, aufgewachsen in der Schweiz erlebt man so einiges im Leben, welches anderen, zu deren Glück, erspart bleibt. In diesem wunderschönen Land gross zu werden, hat so seine Tücken. Es war der Krieg unten in Jugoslawien, welcher eine riesige Anzahl neuer „Jugo’s“ herbrachte. Zuvor waren wir nur ein paar wenige. Wir waren damals weitaus mehr geachtet als heute, obwohl wir auch weitaus weniger gut integriert waren, welch eine Ironie. Es waren die Italiener, die bei der Einwohnerschaft nicht beliebt waren. Ich kann mich noch gut erinnern. Es hiess oft: „Hauptsache kein Tschingg!“. Verstanden hatte ich diese Sprüche damals nie wirklich.
Meinen Eltern sei Dank, wurde ich nicht mit einem profunden nationalen Identitätsbewusstsein erzogen. Sie hielten all diese Ströme von Hass und Stolz stets von mir fern. Lange wusste ich auch nicht was ein Bosnier ist. Ich kannte nur Jugoslawien, konnte gerade mal dieses Land einteilen in meiner kindlichen Welt. Erst mit der Zeit konnte ich selbst eruieren, wer oder genau, von wo ich abstamme und welches Blut in mir fliesst. Es ist mir einfach nicht gegeben, Menschen auf Grund ihrer Gene zu beurteilen, deren Herkunft einzubeziehen. Bis heute tat ich es nicht, noch habe ich es vor, es jemals zu tun. Das Leben hier lehrte mich aber, dass nur wenige so sind wie ich.
Ich verstehe diese Denkweise nicht. Bin ich wirklich so dumm und ignorant? Oder stimmt was mit der Gesellschaft nicht? Es quälte mich eine lange Zeit. Als pubertierender Teenager stellte ich mir sehr oft solche Fragen, dessen Antworten ich mir heute noch schuldig bin. Die Zeit lehrte mich damit zu leben. Wie viele habe ich versucht all diese Umstände zu ignorieren. Es gibt so viel schönere und interessantere Dinge im Leben. So umschiffte ich vieles. Wollte es mir nicht wirklich eingestehen.
Ich kann die Welt nicht verändern. Sie ist nun mal so. Die Menschen sind Egozentriker, so ziemlich alle. Sehen das Leben nur so wie sie es möchten und es ihnen entspricht.
So gingen die Tage, die Jahre verflogen. Die „Jugos“ haben sich gebessert. Sie sind nicht mehr die Buh-Männer der Nation. Ich muss mich korrigieren, Macht der Gewohnheit mal wieder. Es sind nicht mehr nur „Jugos“. Nun sind es etwa 6 verschiedene Nationalitäten, zwar mit fast derselben Sprache, Kultur, Mentaliät, Gewohnheiten etc. Aber ich muss ja korrekt bleiben. Ich kann ja nicht plötzlich selber alle in einen Topf rühren.
Jedenfalls, es wurde langsam ruhiger. Man hat heute hier weniger schlechte Vorurteile über sie. Versteht mich nicht falsch, gut redet man nicht gerade, aber man benutzt sie seltener als Generalverdächtige. Ein Schritt in die richtige Richtung immerhin, zumindest für die "Jugo's". Heute müssen die Kosovo-Albaner herhalten dafür. Morgen sind es dann wieder andere.
Ich wäre guten Mutes und würde sagen es geht aufwärts, wäre da nicht eine neue Sache hinzugekommen. Ich entschuldige mich für den Ausdruck bei euch. Die gequirlte „Scheisse“ mit dem Islam-Problem, welches wir heute angeblich hier haben. Da habe ich ja eine Glückskarte gezogen im Leben. Habe ich nicht nur die Ehre einen Nachnamen mit einer Endung der markanten und klassischen Art der Südslawen zu tragen, sondern stamme ich auch aus dem Erbe der Osmanischen Herrschaft auf dem Balkan, der Konvertiten. Aus dem muslimischen Bevölkerungskreis. Jetzt habe ich noch die Ehre mich mit diesen völlig falschen und überaus übertriebenen Vorurteilen auseinander zu setzen. Eine Art Hetzkampagne, deren Ziel ich nicht erkenne. Es wird über Sachen diskutiert und Wörter werden benutzt, welche ich zuvor noch nie gehört habe. Irgendjemand muss ja schuldig sein, für was auch immer.
Es formt einen Menschen, wenn er mit solchen Umständen gross wird. Man lässt sich nicht so schnell mehr von der Welt blenden. Es ist nun mal nicht alles so fair und gerecht, wie es sein sollte.
Es hat auch gute Seiten, dass ich all das erleben durfte. Heute bin ich mir bewusster denn je, wer ich bin und was ich bin. Ich kenne meine bosnischen Wurzeln in und auswendig. Meine muslimische Herkunft trage ich in mir, mit mir. Es ist aber nicht der Glaube, dessen ich mich hingebe. Ich bin kein gläubiger Mensch. Es ist die Kultur in mir, welche ich versuche zu waren. Jede Sprache, jede Kultur ist eine Bereicherung für einen Menschen, meiner Meinung nach. Es hilft Dinge zu verstehen und erleichtert es auf andere einzugehen.
So stehe ich nun da. Ich bin ein Schweizer. Die Schweiz ist mein Land, meine Heimat. Ich liebe es hier. Es ist meine Welt. Auch wenn viele mich nicht als solchen anerkennen wollen, habe ich, im Vergleich zu den Meisten von denen, meine Zeit geopfert. Meinen Dienst geleistet für dieses Land und das tue ich immer noch aus Überzeugung.
So bin ich auch Bosnier. Hätte ich nicht all diese Rückschläge einstecken müssen in all den Jahren auf Grund meiner Wurzeln, so wäre ich heute wahrlich weniger mir dessen bewusst.
Alles hat seinen Weg, seine Bestimmung. Ich glaube nichts geschieht ohne Grund, es hat so sein müssen. Es hat mich gestärkt und geformt. Zu dem gemacht was ich heute bin.
Auf die Schweiz und auf Bosnien – Zivjeli!




- Caxap
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